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Wenn die Welt es nicht gut mit einem meint... (Die Story ist aus Kens Sicht geschrieben.) Ich sitze vor
meinem Laptop, eingehüllt in eine Decke, da der Abend schon die Kälte mit
sich gebracht hat und arbeite. Mein Job... Ich wurde Privatdetektiv. Oft
bin ich tagelang mit Stingmon fort. Yolei ist dann jedesmal wütend, wenn
ich ihr wie eine der vielen Male nicht Bescheid gebe, daß ich längere Zeit
unterwegs bin. Zusammen gekrümmt sitze ich hier also und arbeite an einem
neuen Fall. Es wurde irgendeine wertvolle Brosche von einer wohlhabenden
Dame gestohlen. Sie hat mir schon ihr Leid geklagt und sie sah auch sehr
verzweifelt aus, doch was interessiert mich ihre Qual? Sie flehte mich an
mir Mühe zu geben, da die Brosche von ihrem verstorbenen Geliebten sei.
Das Einzige, was sie noch von ihm hatte. Sie litt wahrscheinlich sehr und
ich sagte ihr nur, daß mich ihre Probleme nicht interessierten, sondern
nur ihr Geld. Weinend rannte sie fort. Verletzt und zutiefst traurig
stürmte sie einen langen Gang entlang. Lächerlich. Ich wollte ihre
Geschichte nie hören. Ich wollte nie von jemandem etwas wissen. Nie.
Doch... Da gab es eine Person, die sogar mein völlig kaltes Herz bewegen
konnte. Die Person liebte mich sogar und das Erstaunlichste war, daß ich
sie auch liebte. Daisuke... Ich kann mich noch genau an sein Gesicht
erinnern. Seine großen unschuldigen, braunen Augen. Wenn er etwas von mir
wollte, dann wurden sie sehr groß und sein flehender Blick brachte mich
jedesmal dazu das Gewünschte zu tun. Eigentlich war ich immer derjenige,
der alle unterwarf und ihnen Befehlen erteilte. Doch Daisukes Augen gaben
mir stumme Anweisungen, denen ich nie widersprechen konnte. Und dann waren
da noch seine wüsten Haare, die in alle Himmelsrichtungen standen. Das
gleiche Braun wie das seiner Augen zierten sie. Wie oft verkrampften sich
meine Hände in seinen Haaren, wenn wir beide im gleichen Bett lagen und
uns durch Erregung getrieben liebten. Unzählige Male taten wir das... Ich
vermisse auch seine zarten Lippen. Daisuke redete viel und das immer. Es
bereitete ihm Freude, wenn ihm jemand zuhörte. Und ich tat das. Oft
erzählte er mir stundenlang den größten Schwachsinn, doch alleine seine
Stimme zu hören erfüllte mich mit Freude. Aber vor allem das
Aufeinandertreffen unserer Lippen vermisse ich. So sehr... So sehr, daß es
schon schmerzt. Wenn sie sich berührten, ein Gefühl des ewigen Glücks und
nichts ist mehr davon übrig. Daisuke... Wieso meint die Welt es nur nicht
gut mit uns? Schritte nähern sich. Yolei... Ihr Körper schmiegt sich zart
an meinen. Ich wirke abwesend und desinteressiert. Wie ich die Berührung
mit ihr hasse. Ein Gefühl von Ekel durchzuckt meinen Körper. Ich beachte
sie einfach nicht, ob es diesmal funktionieren wird? „Ken...“ ihr Gesicht
ist ganz nahe meinem und sie haucht leise in mein Ohr. Weiterhin starre
ich auf meinen Laptop. „Ken?“ Yolei küßt mich auf die Wange. Ich zucke
zusammen und stoße sie ein Stück zur Seite. „Ken!“ wütend brüllt sie mich
an. „Es tut mir leid“, verzweifelt suche ich nach einer Ausrede, „Es war
nur so plötzlich.“ Ob sie es mir diesmal glaubt? „Ken!“ Yolei wird nur
noch wütender. Sie brüllt schon gar nicht mehr, sondern ist wieder diesem
hysterischen Kreischen verfallen. Sie hat sich sehr verändert seit wir uns
als junge Digiritter kennenlernten. „Es tut mir wirklich Leid“, es ist
schwer diese Worte über meine Lippen zu bringen, doch wenn ich dieses
Opfer nicht bringen würde, würde das, was sie dann opfern würde unendlich
schlimmer sein. Hätte ich kein Herz aus Stein, so würde ich jetzt über
mein Unglück weinen. Doch noch nie hat mein Auge eine Träne verlassen.
Noch nie außer diesem einen Mal. Dieses eine Mal, als ich Daisukes Lippen
das letzte Mal berühren durfte. Meine Wut auf Yolei steigt in das
Unermeßliche. Wie ich sie dafür hasse, doch ich kann mich nicht wehren.
Hilflos und gelähmt... Der einzige Wunsch den ich je hatte war dich zu
besitzen, Daisuke. Dich für immer bei mir zu haben und du sagtest mir du
hättest den gleichen Wunsch. Wir waren unserem Glück so nahe, zum Greifen
nahe! Und dann schnitt Yolei dieses feste Band auseinander. Einfach so,
ohne daß jemand sie hätte aufhalten können. Sie steht gerade vor mir und
droht mir. Droht mir, daß sie es mir zeigen wird und daß ich schon sehen
werde. Doch auch das bin ich schon von ihr gewohnt. Hat sie das nicht
jedesmal gemacht, wenn ich wieder einmal zu ihrem Mißfallen gehandelt
hatte? Ein „Hörst du mir überhaupt zu?“ reißt mich aus meinen Gedanken.
„Ja, natürlich“, ich versuche zu lächeln und wende meinen Kopf in ihre
Richtung, doch wie immer schaue ich nur an ihr vorbei in das Nichts. Wie
gerne würde ich jetzt überall sein, bloß nicht hier. Yolei stampft wütend
auf. „...ist es nicht das was du willst?“ brüllt sie gerade. Ich kenne
diese Sätze schon in und auswendig, sooft mußte ich sie mir schon anhören.
Als ob Alles in einer Schleife wäre. Jeder Tag scheint genau das Gleiche
zu bringen. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, hasse ich Yolei und liebe
Daisuke noch mehr. Aber wieso kann ich nicht aus den Gitterstäben dieses
mittlerweile zum Alltag gewordenen Tagesablaufs ausbrechen? Und wieso habe
ich auf diese Frage in all den grausamen Jahren noch keine Antwort
gefunden? Ja... wieso nur? Auf einmal höre ich Daisuke leise meinen Namen
flüstern. Ich träume. Schon wieder. Denn das Wispern schwillt an und wird
wieder zu dem Kreischen meiner Ehefrau. Ja, ich habe Yolei geheiratet.
Aber wieso ließ ich das zu? Warum hat sie das so einfach geschafft? Ich
bin ein Idiot. Hätte ich mich damals schon gewehrt, dann hätte das Ganze
vielleicht nicht so geendet. Schnell vertreibe ich diesen Gedanken wieder.
Es ist das Beste so. Wäre es nicht so gewesen, wüßte ich, daß Daisuke
gestorben wäre. Doch so lebt er. Auf diese Weise kann ein derartig
perfektes Geschöpf wie er noch eine Zeit auf Erden weilen. Auch wenn wir
für immer getrennt sind. Plötzlich trifft mich ein harter Schlag an der
Wange. Es war Yolei, die ihre Wut nun an mir auslassen mußte. Doch zu
ihrem Bedauern entrinnt nicht einmal ein kleiner Laut meinem Mund, der ihr
sagen hätte können, daß der Schmerz mich quält. Sie packt mich am Kragen.
„Wenn du nicht sofort zuhörst...“ Und dann werden ihre Worte zu einem
einfachen, monotonen Laut und ich falle zurück in meine Gedanken an
Daisuke. Wieder sehe ich ihn genau vor meinem inneren Auge. Leider bleibt
mir sein Bild nicht lange, denn Yolei scheint nun nah am Ausrasten zu
sein. „Und wenn du mir nicht zuhörst, dann werde ich ihn umbringen!“ Ich
schnappe kurz nach Luft, alle meine Sinne sind sofort hellwach. Wieder
diese Drohung, diese eine, die Daisukes und mein Leben zerstört hat. Wir
hatten einfach keine Chance gehabt zu entkommen und deswegen lief alles
auf das hier hinaus. „Yolei, beruhige dich!“ äußerlich wirke ich gelassen
wie immer, aber unbemerkt wütet ein Sturm in mir und wirbelt alles
durcheinander. Am liebsten würde ich jetzt sofort mit Daisuke im Tod sein,
aber Yolei hatte es nicht zulassen wollen, daß wir beide sterben, denn sie
wollte mich. Ob sie meine Seele oder meine Körper wollte habe ich nie
erfahren. „Ich bin ruhig!“ schreit sie und mit einem Schwung wirft sie
eine Blumenvase auf den Boden. Ich bücke mich sofort um die Scherben
aufzusammeln. Yolei wirft mir noch einen verächtlichen Blick zu und geht
zurück in unser Haus. Als sie nicht mehr zu sehen ist lasse ich die
Scherben wieder fallen. ‘Daisuke...’ Das zweite Mal in meinem ganzen Leben
fühle ich, wie eine glasklare Träne von mir zart mein Gesicht berührt. Ich
seufze. Meine Seele möchte zerspringen. Ich halte es einfach nicht mehr
aus. Es geht nicht mehr, nach so vielen Jahren. Es muß endlich etwas
passieren, dem ganzen ein Ende gesetzt werden. „Entschuldigung Daisuke...“
Meine Stimme zittert. Immer mehr Tränen glitzern im Mondlicht. Sie alle
fallen zu Boden und beenden dort ihr kurzes Leben. Ich werde es ihnen
jetzt gleich tun. Eine der vielen Tonscherben liegt jetzt in meiner Hand,
um dann ihren Zweck zu erfüllen. Das erste und das letzte Mal sehe ich
mein eigenes Blut in so großem Maße fließen. (Sichtwechsel
zu Yolei) Um mich zu
vergewissern, daß Ken auch alles aufgeräumt hat drehe ich mich auf dem
Absatz um und verlasse unser Haus wieder. Ich stehe nun wieder auf der
Terrasse, wo ich vorhin Ken angebrüllt hatte. Die Scherben liegen immer
noch dort. Auf dem Laptop steht groß „System Error“. Erst jetzt sehe ich
Ken........... -The end
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