Fragen des Sommers
 

Hallo du mir unbekannter Leser. Ich weis nicht warum ich gerade begonnen habe zu schreiben. Es ist als ob etwas aus mir heraus will – nur weis ich nicht was. Ich kann es nicht definieren, es ist wie ein Gefühl tiefster Trauer und höchstem Wohlbefindens zusammen. Ich frage mich ob es mir jedes Jahr um diese Zeit so geht. Macht mich die Sonne depressiv?
Läßt sie mich träumen?
Oder blendet sie mich nur, damit ich die Welt nicht mehr sehen kann?
Ist es dann noch verwunderlich wenn ich dieser Welt entsage?
Ich kann sie doch nicht sehen – die Sonne blendet mich doch – oder bilde ich auch das mir nur ein?
Was mach ich hier eigentlich?
Warum schreibe ich das hier nieder?
Und warum schreibe ich erst wenn es dunkel ist?
Bin ich dann nicht mehr geblendet?
Will die Nacht mir meinen Geist reinigen?
Soll ich durch die Dunkelheit klar denken können – klar sehen?
Oder ist auch das nur wieder eine Intrige dieser Jahreszeit, in der ich mehr verfremde als im Winter und Herbst zusammen – soll der Sommer meine Gedanken beflügeln?
Kann ich erst jetzt wieder meinen Geist entfalten?
Dieser Welt entfliehen?
Warum empfinde ich Trauer und Freude zugleich beim Anblick eines weinenden Mädchens in den Armen eines Jungen?
Beide unfähig ihre Liebe zu gestehen – macht erst das mich zu mir?
Die Gefühle anderer?
Sind meine nur das Ergebnis ihrer?
Bin ich dann überhaupt fähig zu fühlen?
Reflektiere ich nicht nur ihre Gefühle auf mich?
Bin ich dann des Fühlens fähig?
Oder lebe ich nur durch den Glauben fühlen zu können?
Kann man Gefühle besitzen ohne je die eines anderen gekannt zu haben?
Kennt man dann Angst?
Freude?
Haß?
Liebe?
Bin ich wirklich nur eine Projektion der anderen?
Mich sieht doch jeder wie er will. Bin ich dann überhaupt noch eine Person?
Wenn meine Existenz durch andere bestimmt wird – bin ich dann wirklich nur eine Person?
Bin ich dann nicht für jeden der mich umgibt eine andere Person?
So habe ich doch tausend Gesichter – wie kann man mich dann erkennen?
Kann ich mich dann erkennen?
Doch bin ich doch auch eine Person um mich herum. So bilde auch ich mir ein eigenes Bild von mir. Welches Bild ist dann das richtige?
Meines?
Oder das eines anderen?
Wenn mich jeder anders sieht – selbst ich – wer hat dann recht?
Bin ich dann überhaupt noch zu ‚kategorisieren’?
Bin ich nicht nur ein Punkt unter Tausenden?
Bin ich dann tausend Punkte unter Millionen?
Hab ich dann mehr als 6000000000 Gesichter?
Hat dann nicht jeder 6000000000 Gesichter?
Sind wir dann nicht 36000000000000000000 Person?
Oder hat mir die Sonne schon wieder meine Gedanken verwirrt?

  11.05.2001


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